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Variation in der Alltagssprache

Regionale Vielfalt in Standardsprache und Alltagssprache

Wenn Sprecherinnen und Sprecher aus verschiedenen Regionen zusammentreffen, dauert es meist nicht lange, bis die Rede auf Unterschiede in Ausdrucksweisen kommt – sei es in der Aussprache oder im Wortschatz. Solche regionalen (und nationalen) Unterschiede gibt es bis in die Standardsprache(n) hinein:

Sprechen Schülerinnen und Schüler mit einem Rachen- oder einem Zungen-r? Ist das anlautende S in Sonne bei ihnen stimmhaft oder stimmlos? Reden Schülerinnen und Schüler an Ihrer Schule von einem Spitzer oder einem Anspitzer, den sie in ihrem (Feder-) Mäppchen / Mäpple / Mapperl / Etui / Federpennal bzw. in ihrer Federtasche / Federschachtel haben? Wenn ein Test angekündigt wird, spricht man da bei Ihnen von einer Klassenarbeit oder von einer Schulaufgabe, Prüfung oder Probe? Ist bei Ihnen von Unterschleif die Rede – oder gibt es diesen Ausdruck bei Ihnen nicht?

Regionale oder sogar lokale Eigenheiten treten verstärkt hervor, wenn man sich in der Alltagssprache unterhält. Gemeint ist mit «Alltagssprache» die Sprachform, die man im sozialen und funktionalen ,Nähe‘-Bereich des Privaten verwendet, im spontanen Gespräch unter Freunden, Verwandten oder Bekannten oder auch im informellen Austausch am Ort, wenn man sich zwar nicht näher kennt, aber annimmt, dass man unter Einheimischen ist. Alltagssprachliche Register sind diejenigen, mit denen Menschen aufwachsen, die sie also zuerst verwenden, wenn sie ihre Muttersprache lernen. Alltagssprache kann in manchen Gebieten Deutschlands und vielen Teilen Österreichs der Dialekt sein (in der Deutschschweiz ist sie fast immer der Ortsdialekt); Alltagssprache wird vielerorts aber eher eine Sprachform mit Merkmalen sein, die für größere Regionen typisch sind.

So kann ‘ein kleines dünnes Stück Holz, das man sich versehentlich unter die Haut schiebt’ (beim Heimwerken, am Kaminholz etc.) je nach Region Splitter, Schiefer, Schliffer, Spreißel, Sprieße, Speißen, Spieß oder Speil heißen (s. die entsprechende Karte). In den Dialekten gibt es noch weitere, z. T. nur ganz kleinräumig verbreitete Ausdrücke – in Bayern z. B. noch Spraal, Zweck, Kleinspen, Schipf u. a. (s. Kleiner Bayerischer Sprachatlas, S. 136f.). In vielen Gebieten heißt es nach München fahren, in anderen auf München fahren (s. Karte); in manchen Regionen sagt man Jetza!, in anderen Jetzet! oder Jetzat!, und in vielen anderen Regionen sind solche zweisilbigen Formen von jetzt ganz unüblich (s. Karte). Allgemein gilt: Je dialektnäher die Alltagssprache an einem Ort ist, desto mehr wird sie sich von der Alltagssprache eines entfernten Orts unterscheiden und desto kleiner wird das Gebiet sein, wo man genauso spricht.

Regionale Sprachvielfalt als Lerninhalt

Das Thema „sprachliche Vielfalt“, „regionalsprachliche Besonderheiten“ bzw. „sprachliche Variation“ sowie „Sprachwandel“ ist nicht nur fest in vielen Lehrplänen verankert; es lädt auch zum Nachdenken über Sprache, zur Sprachreflexion und vielleicht zu Arbeiten über Sprache, zu kleinen Unterrichtsprojekten zu Themen wie „sprachliche Diversität“, „regional(sprachlich)e Identität“, „sprachliche Normen“ oder auch „sprachlichen Wandel“ ein.

Da das Phänomen der sprachlichen Vielfalt allgegenwärtig ist, bedarf es keiner spezifischen Voraussetzungen, um es im Unterricht zu thematisieren. Auf Hilfsmittel kann man zum großen Teil über das Internet zugreifen. Auf solche online verfügbaren Hilfsmittel bauen die beiden hier im Portal vorgestellten Unterrichtsvorschläge auf (Aufgabenvorschläge).

Verfasser: Stephan Elspaß (Universität Salzburg) und Robert Möller (Universität Liège) stellen in ihrem „Atlas der deutschen Alltagssprache” (AdA) Karten zu regionalen Varianten sowie wissenschaftliche Erklärungen dazu bereit. 

 

Literaturhinweise:

AdA = Elspaß, Stephan & Robert Möller (2003ff.): Atlas zur deutschen Alltagssprache. URL: www.atlas-alltagssprache.de.

DWDS = Digitales Wörterbuch der deutschen Sprache. URL: www.dwds.de

Kleiner Bayerischer Sprachatlas = Renn, Manfred/Werner König (2006): Kleiner Bayerischer Sprachatlas. Mit 121 Abbildungsseiten in Farbe. München: dtv.

Möller, Robert & Stephan Elspaß. 2021. Mehr als Dialekt-Relikte: Regionale Variation im Gegenwartsdeutschen. In: Lublin Studies in Modern Languages and Literatures 45(1) (Themen­heft: Vielfalt des Gegenwartsdeutschen, hgg. von Efing, Christian, Bruno Arich-Gerz & Isa-Lou Sander), 21–33. (DOI: dx.doi.org/10.17951/lsmll.2021.45.1.21-33